Tipps zur Überwindung der Redeangst



Unzählige Augenpaare sind auf mich gerichtet. Erwartungsvoll schauen sie mich an. Mir bricht der kalte Schweiß aus. Jetzt muss ich etwas sagen, denn ich halte ja schließlich eine Rede. Ich fühle mich aber eher wie ein Schuldiger vor dem Gericht. Wenn ich jetzt etwas Falsches sage, werde ich von allen verurteilt. Und dann passiert es: Ich habe ein Blackout. Eine Leere in meinem Kopf breitet sich aus. Ich weiß nicht mehr, was ich sagen wollte. Eine lange Pause entsteht. Ich ringe nach Worten, verspreche mich dabei. Ich merke, wie mein Kopf hochrot wie eine Tomate wird. Am liebsten möchte ich im Erdboden verschwinden. Kennst du das?



Solch eine Situation hat bestimmt jeder mal in seinem Leben erfahren. Doch besonders für schüchterne Menschen kann das eine totale Qual werden. Schon allein der Gedanke, vor einem Publikum zu stehen, bringt mich selbst ins Schwitzen und ich werde nervös. Doch leider gibt es im Leben immer wieder solcher Situationen. In der Schule und in der Uni bekommen wir haufenweise Vorträge, die wir leider nicht umgehen können. Dann werden auch regelmäßig mündliche Noten vergeben. Man kann noch so gut im Schriftlichen sein, wenn man sich nicht von allein zu Wort meldet oder sinnvolle Antworten auf Fragen des Lehrers gibt, hat man schlechte Karten. 

Noch schlimmer ist es dann, wenn mündliche Prüfungen anstehen. Da sitzen dann wirklich Leute vor dir, die nur das Ziel haben, dich zu bewerten. Da geht es wirklich darum, wie gut oder schlecht du über etwas referieren oder du Fragen beantworten kannst. In meiner Studienzeit hatte ich zig solcher höllischen Situationen hinter mir. 

Egal wie oft ich sie überstanden hatte, jede neue Prüfungssituation war für mich ein Graus. Das Schlimmste daran war nicht mal direkt die Prüfung oder der Vortrag selbst. Sondern die Gedanken, die davor, bereits einige Tage zuvor, in meinem Kopf herum spukten und mich erzittern ließen.

Warum haben wir aber so eine große Angst vor dem Reden? In meinen vorherigen Beiträgen habe ich bereits erwähnt, dass es die Angst vor Fehlern und daraus folgender Kritik und Ablehnung ist. Wer öffentlich vor anderen spricht, fühlt sich wie auf einem Präsentierteller. Gemachte Fehler sind sofort und sehr deutlich sichtbar. Das Schlimme daran ist außerdem, dass es eben mehrere Personen mitbekommen. Das sorgt für Angst. 


Gründe für die Redeangst

Viele Schüchterne haben auch das Gefühl, in der Öffentlichkeit, beobachtet zu werden, obwohl das nicht der Fall ist. Doch gerade beim öffentlichen Sprechen wird man beobachtet und die Leute nehmen genau wahr, was man sagt und was man tut. Es ist eben eine Prüfungssituation, in der man abgelehnt und kritisiert werden kann. Wir wollen keine Fehler machen und wenn es doch passiert, führt es zu Scham und Verlust von Anerkennung. Zumindest glauben das viele. Wir fürchten uns vor unserem eigenen Versagen und denken, dass wir uns dann total blamieren und uns nicht mehr vor anderen sehen lassen können.

Es ist also das Kopfkino, was mir und sicherlich auch euch, viel zu schaffen macht. Man stellt sich selbst als zu negativ vor und malt sich die schlimmste Katastrophe aus. Doch meist kommt es nicht einmal zu solchen Szenarien. Sie bestehen nur in unseren Köpfen. Doch was ist, wenn es doch einmal passieren würde? Sich zu ängstigen, bringt nichts und raubt uns Nerven und Energie.

Deswegen möchte ich heute einmal einige praktische Tipps geben, wie ihr eure Redeangst in den Griff bekommt und zukünftig auch selbstbewusster auftreten könnt.


Praktische Tipps zur Überwindung der Redeangst


1. Lampenfieber ist normal

Es ist enorm hilfreich zu wissen, dass man mit seiner Angst nicht allein ist. Diese Angst haben wirklich viele Menschen, nur wenige verspüren keine Nervosität, wenn sie vor vielen Leuten sprechen. Auch selbstbewusste Menschen sind davor nicht geschützt. Es ist eben eine Situation, die für viele nicht gewohnt ist. Ich finde es erleichternd, dass meine Angst davor nicht etwas Unnormales ist. Das hilft mir einen anderen Blick darauf zu bekommen und mich etwas mehr zu entspannen.

Außerdem ist Lampenfieber nichts grundsätzlich Schlechtes. Denn gerade, wenn wir diese Nervosität verspüren, sind wir hochkonzentriert und nehmen alles genau wahr. Das Lampenfieber verleitet uns dazu, dass wir uns eben besser vorbereiten. Wir achten genau, was wir sagen und wie wir es sagen. Außerdem sind wir ehrgeizig und wollen aus dem Referat oder der Prüfung das Beste draus machen.


2. Referate vorbereiten bringt Sicherheit

Mein Lieblingstipp Nummer 1 ist tiefgründige Vorbereitung. Sicherlich kann immer mal etwas dazwischen kommen, aber dazu später mehr. Ich habe es immer so gehandhabt, dass ich mich sehr intensiv mit dem Referats-Thema oder dem Prüfungsstoff auseinandergesetzt habe. Ich wollte mich gut auskennen und auf Rückfragen auch antworten können. Für mich gehört dazu, mich gut mit der Materie auszukennen. Das ist die Grundlage. Dann gehört noch dazu, das Referat gut zu strukturieren. 

Aber am wichtigsten ist es, auch immer wieder das Sprechen zu üben. In meiner Schulzeit habe ich einfach meine Stichpunkte auf einer Karteikarte oder einem Blatt Papier notiert und habe dann alles vorgetragen, am besten erst mal nur für sich. Ich habe das Sprechen immer wiederholt, bis ich die richtigen Sätze im Kopf hatte und sie praktisch automatisch von meinen Lippen gekommen sind. Das ist die Variante für die besonders Ängstlichen.

Nach und nach habe ich mich von dieser Methode entfernt. Sie hat mir zwar viel Sicherheit gegeben, aber ich war dadurch natürlich sehr stark von meinen Stichpunkten abhängig. Besser ist es das freie Sprechen zu üben. Auch da helfen Notizen als Gedächtnisstützen, aber man versucht eben nicht alles auswendig zu lernen, sondern immer wieder die Sätze neu zu formulieren. Das sollte kein Problem sein, wenn man weiß, wovon man spricht (siehe erster Punkt). Mit der Zeit kommt die Routine von allein und man fühlt sich einfach weniger ängstlich, weil man weiß, was man vortragen und wie man es tun wird.

Gut ist es dann am Ende auch, einige Freunde oder jemanden aus der Familie zu fragen, ob er sich das Referat mal anhören könnte. Das erhöht die Schwierigkeit und man wird von jemanden beurteilt. Das Gute ist aber, dass die Person vertraut ist und einem Feedback bezüglich Fehler und Verbesserungen geben kann.


3. Sich selbst im Spiegel sehen oder auf Video/Diktiergerät aufnehmen

Wenn man nicht unbedingt jemanden hat, der einem dabei hilft, ist das auch alleine möglich. Geht es darum zu prüfen, wie Gestik und Mimik aussehen, stelle ich mich einfach vor einen Spiegel und beobachte mich beim Sprechen. Oder ich schnappe mir meine Kamera und nehme alles auf. Wenn es nur um das Sprechen geht, reicht auch ein Diktiergerät oder das Handy. Das alles ist nützlich um sich selbst mal aus einer anderen Perspektive zu sehen und zu hören. Meist hat man eher eine verzerrte Wahrnehmung von sich selbst. Aber diese Mittel geben einem einen eher objektiven Blick für die eigene Erscheinung. Dann merke ich, ob ich vielleicht zu schnell oder zu leise rede. Ob ich an bestimmten Stellen zu sehr auf meine Notizen schaue oder mich zu oft am Nacken kratze.


4. Entspannungsverfahren lernen

Nicht nur für öffentliches Reden, sondern auch für den Alltag allgemein, kannst du lernen, dich zu entspannen. Hierfür gibt es verschiedene Methoden, je nach Geschmack. Yoga ist eine Möglichkeit sich auch beim Dehnen und Bewegen zu entspannen. Magst du lieber ruhig sitzen oder liegen wäre vielleicht progressives Muskeltraining und Autogenes Training sinnvoll. Mich beruhigt Meditation sehr, aber dafür musst du wirklich gedanklich loslassen und nichts tun können. Ziel dieser Anwendungen ist, dass du die Angst loslässt, deinen Geist verstummen lässt und Ruhe findest. In der Ruhe liegt ja bekanntlich auch die Kraft.


5. Einstellung ändern

Wie schon geschrieben, ist die Angst ja eher das Kopfkino. Was mache ich nur, wenn ich was falsch mache? Was ist, wenn ich versage? Was werden die anderen von mir denken und sagen? Ich werde als Versager dastehen und mich fürchterlich blamieren! Das sind alles negative Gedanken, die deine Angst steigern und dich ungemein stressen. Sie sind nicht sinnvoll, sondern kontraproduktiv. 

Besser ist es eine entspannte und positive Haltung zu entwickeln. Versuche Fehler und Versprecher nicht zwanghaft zu vermeiden und dich dafür zu verurteilen. Es kommt auf eine lockere Einstellung dir gegenüber an. Akzeptiere, dass Fehler unvermeidlich sind. Erkenne, dass auch andere Menschen Fehler machen. Versetze dich in die Lage deiner Zuhörer: Was würde passieren, wenn der Redner sich verspricht oder etwas falsches sagt? Wie würde ich reagieren? Vermutlich würde es dir nicht auffallen. Wenn doch, wär es für dich kein Problem und schnell vergessen. 

Doch wir als diejenigen, die die Angst verspüren, stellen uns Fehler als furchtbar schlimm. Doch das sind sie nicht. Wir müssen unsere Einstellung gegenüber Fehlern korrigieren. Fehler gehören zum Lernen dazu und jeder macht sie. Es kommt darauf an wie wir damit umgehen. Wir können darüber lächeln und einfach weitermachen, als wäre nichts passiert. Wir haben die Wahl.

Außerdem macht es doch eigentlich eher sympathisch, wenn man sich mal verspricht oder mal den Faden verliert. Die Hauptsache ist, dass wir das dann nicht als Problem übertreiben. Humor wäre angebrachter. Einfach über sich selbst lachen und es locker nehmen. Dann gewinnt man spielend leicht die Sympathie der Zuhörer.

Sieh solche Prüfungen nicht als Probleme an, die du vermeiden willst. Betrachte sie mehr als Herausforderungen, um zu beweisen was du drauf hast. Du hast dich doch so gut darauf vorbereitet. Daran sollen auch andere teilnehmen und dich entsprechend dafür mit Anerkennung belohnen.


6. Visualisierung

Bekanntlich neigt man ja sich ein Horrorszenario auszumalen. Wie wäre es stattdessen mit einer positiven Visualisierung. Wir stellen uns so bildhaft wie möglich vor, wie es sein wird und zwar aus positiver Sicht. Stelle dir vor, du steht selbstbewusst vor dem Publikum. Du atmest ruhig ein und aus. Du hast dich super gut vorbereitet. Du bist voller Elan und willst einen tollen Vortrag halten. Du stellst dir vor, wie du einen humorvollen Einstieg machst und gute Überleitungen schaffst. Du hälst den Blickkontakt und lächelst in die Runde. Du merkst zwar, dass du nervös bist, aber du lässt es dir nicht anmerken. Denn die Leute schauen dich aufmerksam an und hören dir intensiv zu. Sie nicken, wenn du etwas besonders tolles sagst. Du beendest dein Referat und alle klatschen. So ungefähr sieht es aus, wenn du dir alles positiv vorstellst. Es ist erwiesen, dass solche Visualisierung auch wirklich Einfluss auf deine späteren Aktionen hat. Je öfter du das machst, desto selbstbewusster wirst du und desto mehr wirst du an dich glauben.


7. Was wäre, wenn...? und Plan B

Natürlich kann es am Ende ganz anders kommen. Du hast ein Black-Out und verlierst den Faden. Was tun? Um dem vorzubeugen kannst du dir im Vorfeld überlegen, was du dann tun kannst. Spiele das „Was wäre, wenn...?“-Spiel. Überlege dir welche Zwischenfälle geschehen und welche Lösungen du dann anwenden kannst. Was wäre wenn ich ein Black-Out habe? Dann halte ich inne, schaue mir meine Notizen an. Oder ich sehe in die Runde und gebe offen und ehrlich zu, dass ich nicht weiter weiß. Ich lache dann über mich selbst. Ich nutze die Zeit, über eine kurze Zusammenfassung zu machen. Dann wird mir schon etwas einfallen. Sinn dahinter ist also, sich schon mal einen Plan B zu überlegen, an den man sich dann erinnert und der zur Anwendung kommt.


8. Die eigene Angst zugeben

Jeder hat mal Lampenfieber. Wir glauben, dass es ein Zeichen von Schwäche ist, wenn man uns unsere Angst anmerkt. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es kostet viel Mut und Selbstüberwindung, die eigene Schwäche zuzugeben. Deswegen versuche locker zu sein und spreche deine Nervosität am Anfang des Referats oder der Prüfung an. Sage anschließend, dass du dennoch dein Bestes geben wirst. Damit sind die Zuhörer vorbereitet und du wirkst gleich viel sympathischer und menschlicher als wenn du versuchen würdest, deine Angst zu verbergen. Damit strahlst du Authentizität aus.


9. Lächeln und Blickkontakt herstellen

Es wirkt Wunder, wenn man anderen ein Lächeln schenkt. Du musst es nicht ständig machen, aber an passenden Stellen schaust du in die Runde und lächelst. Das führt auch bei dir dazu, dass du dich positiver fühlst und du machst dich sympathischer. Da du den Vortrag auch nicht abliest,suchst du automatisch den Blickkontakt zu deinen Zuhörern. Auch das finde ich, macht einen sicherer und man kann deren Reaktionen besser einfangen. Es ist wie eine stumme Interaktion mit den Zuhörern und beweist Selbstbewusstsein.


10, Die richtige Körperhaltung

Wie wir stehen und laufen entscheidet maßgeblich darüber, wie wir uns fühlen. Nicht umsonst heißt es, man lässt den Kopf hängen, wenn man traurig ist. Oder man streckt die Brust heraus, wenn man sich besonders stark und selbstbewusst empfindet. Auch wenn Angst vorhanden ist, sollte sie den Körper nicht beherrschen. Wir können gezielt mit unserer Körperhaltung Einfluss auf unsere Stimmung nehmen. Laufe ich gebückt mit gesenktem Kopf, ist es kein Wunder, wenn ich depressiv werden. Strecke ich die Brust raus und ziehe den Bauch ein, drücke ich die Schultern nach hinten und halte den Kopf hoch oben, fühle ich mich gleich viel stärker und mutiger. Die richtige Körperhaltung ist also wichtig, wenn es darum geht Energie zu bündeln. Außerdem wirkt es auch auf die Zuschauer gleich viel positiver und sympathischer.


11, Richtig atmen

Bereits vor dem Sprechen, aber auch währenddessen, ist es ratsam, auf die Atmung zu achten. In Stress-Situationen atmen wir eher flach, weniger Sauerstoff kommt an und die Gehirnleistung leidet darunter. Richtiges atmen geht über den Bauch und verlangsamt, dass wir langsam ein und ausatmen. Das führt dazu, dass wir konzentrierter und gleichzeitig entspannter sind. Außerdem hilt es auch, gut zu sprechen und Pausen einzuhalten.


12. Sich im Unterricht, im Seminar oder Meeting öfter zu Wort melden

Nutze so oft wie möglich die Chancen im Alltag, um vor anderen laut zu sprechen. In der Schule und in der Uni gibt es genug solcher Situationen. Im Unterricht oder in einem Seminar kann man Fragen stellen oder eben selbst Antworten geben. Ich weiß, dass es sehr schwer ist, sich zu überwinden. Aus meiner Erfahrung ist es nur diese kurze Spanne zwischen dem Entschluss sich zu melden und der eigentlichen Wortmeldung, die am meisten schwer fällt. Denn in dieser Zeitspanne zweifelt man, man muss sich entscheiden. Je kürzer du die Zeitspanne hälst (sagen wir mal 3 Sekunden), desto leichter fällt es dir. Denke nicht darüber nach, was dann kommt, sondern TUE es einfach. Das Handeln ist hier der Schlüssel. Darüber zu grübeln würde dich nur verunsichern und steigert die Angst. 


13. Achtsamkeit praktizieren

Während du vor den anderen sprichst, konzentriere dich wenn möglich nur auf dich selbst. Ab und zu kannst du natürlich auch mal den Blick in die  Runde werfen, Blickkontakt suchen und die anderen anlächeln. Aber hauptsächlich solltest du nur dir selbst Aufmerksamkeit schenken und nur das Sprechen im Kopf haben. Lasse dich nicht von äußeren Dingen ablenken oder verunsichern. Auch wenn jemand gähnt oder die Augen verdreht, ignoriere es einfach! Du kannst nicht wissen, ob er das wegen dir macht oder nicht. Und selbst wenn, das ist nicht dein Problem. Du kümmerst dich nur um deine Rede. Lass dich auch nicht von inneren Gedanken, Stimmen oder deiner Angst leiten. Die haben in der Zeit Sendepause. Konzentriere dich nur auf das, was du sagen willst und was du tun willst, nicht mehr und nicht weniger.


14. An Rhetorik- und Sprechseminaren teilnehmen

Als letzten Tipp lege ich dir als Bonus ans Herz, das öffentliche Sprechen in Seminaren zu üben. Das ist an sich schon eine große Hürde, aber ich bin mir sicher, dass du danach gestärkt wieder zurück kommst. Du lernst theoretische und praktische Tipps über Rhetorik und das Sprechen. Das Wissen wendest du auch direkt in den Seminaren an und holst dir Feedback von Experten.


Ich hoffe, ich konnte dir einige hilfreiche Ratschläge geben und freue mich über ein Feedback. :) 




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