Warum und wie ich trotz Schüchternheit Journalistin werden möchte


Ich werde dir heute erzählen, wie ich trotz meiner Schüchternheit in den Journalismus gefunden habe. Deswegen wird es diesmal mehr ein Erfahrungsbericht, als ein neutral sachlicher Text. Seit November diesen Jahres arbeite ich bei der Tageszeitung „Volksstimme“ als Redaktionsvolontärin. Ich bin sozusagen in einer journalistischen Ausbildung für etwa zwei Jahre und lerne das journalistische Handwerk von Grund auf. Dazu gehört, dass ich verschiedene  Stationen in der Redaktion habe, auf Volontärskurse gehe, Seminare besuche und jeden Monat mich mit anderen Volontären der Zeitung austausche. Nach der Ausbildung kann ich dann als Redakteurin arbeiten. Eigentlich schließen sich Journalismus und Schüchternheit aus. Als Journalist muss man doch auf andere Leute zugehen, sie ansprechen, mit ihnen reden etc. Wie kann denn so etwas bei einer schüchternen Person funktionieren?



Meine Berufswünsche

Zunächst einmal war für der Beruf Journalist nicht unbedingt das, was ich schon immer machen wollte. Auf meiner Liste der Berufswünsche stand alles Mögliche: Astronautin, Schauspielerin, Sängerin, Zeichnerin etc. Unter anderem aber auch Autorin. Und über Umwege bin ich dann auf den Beruf Reporterin gekommen. Fragt mich nicht, weswegen. Ich kann mich daran leider nicht mehr erinnern. Jedenfalls sind das alle recht außergewöhnliche Berufe und auch Journalistin ist nicht unbedingt das, was man sich unbedingt als klassischen Beruf vorstellt, mit dem man seinen Unterhalt bestreitet. Ich hatte also schon immer ein Faible für besondere Berufswünsche.

Doch diese Wünsche habe ich schnell während meiner Kindheit und Jugend vergraben. Weil ich mich kannte und wusste, dass daraus nichts werden würde. Ich glaubte einfach nicht an mich selbst. Ich traute es mir nicht zu, solche außergewöhnlichen Berufe auszuüben. Es passte auch einfach nicht zu mir. Schon immer war ich ein graues Mäuslein gewesen. Das widersprach einfach meinem Wesen. Das kennen sicherlich viele von euch. Spätestens wenn es um die Berufswahl geht, fällt die Entscheidung auf einen Job, bei dem man am besten gar nichts mit Leuten zu tun hat. Wo man schön im Hintergrund bleiben kann,ja nicht auffällt. Auch ich orientierte mich daran. 

Nach dem Abitur wollte ich dann einen vernünftigen Beruf ausüben, wollte nicht einmal studieren, sondern lieber eine Ausbildung anfangen. Aus Angst vor weiteren mündlichen und schriftlichen Prüfungen. Ich spielte mit dem Gedanken irgendetwas mit Bürokommunikation oder in der Bibliothek anzufangen. Aber halt! Auch das hat ja irgendwie doch etwas mit anderen Menschen zu tun. Aber solche Berufe sind wenigstens nicht so ausgefallen und unsicher, wie beispielsweise Autor oder Journalist. 

Warum ich Germanistik studierte

Dann habe ich mich doch dagegen entschieden und ein Studium der Germanistik begonnen. Das widersprach meinem Vorhaben, einen „ordentlichen“ Beruf zu erlernen. Wer Geistes- und Kulturwissenschaften studiert, strebt auch nicht unbedingt nach der großen Karriere und Ruhm. Für mich war aber klar gewesen, dass ich etwas studieren wollte, was mich wirklich interessiert. Es sollte mich erfüllen und das war mir wichtiger als alles Materielle. 

Ich dachte mir nur, dass Sprache und Literatur die Themen sind, die mich interessieren und mit denen ich mich auch in meinem späteren Beruf befassen will. So richtig wusste ich nicht, was ich genau damit anfangen sollte. Naja, das kristallisiert sich schon irgendwann heraus, vermutete ich. Und so war es dann auch. Germanistik als Studiengang bereitet keinen auf einen bestimmten Beruf vor. Wer das studiert hat, kann überall etwas machen, hauptsache es hat etwas mit Sprache und Literatur zu tun. Das kann Vorteile aber eben auch Nachteile bringen.

Während des Studiums habe ich fleißig Erfahrungen mit Praktika gesammelt. Unter anderem waren ein Praktikum bei der Bibliothek und in einem Verlag dabei. Beides reizte mich, weil ich gerne mit Büchern arbeite und an der Produktion beteiligt sein wollte. Dann merkte ich aber schnell, dass mich die Kreativität packte und ich unbedingt auch eigene Dinge auf die Beine stellen wollte. Doch in der Bibliothek und im Verlag ist man ja weniger Produzent, es sind Werke anderer, die man verbreitet und an denen man arbeitet. Deswegen stand für mich bald fest, es musste etwas anderes mit Sprache sein und so fiel die Wahl auf den Journalismus. Auch da habe ich ein Praktikum absolviert, bei einer kleinen regionalen Monatszeitung. Und diese Erfahrungen haben mich fortan geprägt. Das Praktikum ging nur einige Wochen, aber es machte mir so viel Spaß, dass ich das später als Beruf machen wollte.

Etwas mit Sprache machen, obwohl ich schüchtern bin?

Jetzt fragt ihr euch sicher, warum ich überhaupt Germanistik studiert und mich für ein Praktikum im Journalismus entschieden habe, OBWOHL ich doch schüchtern gewesen bin und es auch noch immer bin. Das ist doch ein Widerspruch in sich. Ich gebe zu, es klingt erst einmal verrückt, aber ich wollte nicht ewig schüchtern sein. Während meiner Jugendzeit, etwa im Alter von 14 Jahren, hatte ich von meinem schüchternen Ich genug. Ich wollte nicht mehr so sein, selbstbewusster und offener. Ich wollte Freunde finden und nicht mehr einsam sein. Von da an änderte sich so einiges in meinem Leben. Ich trat der Theatergruppe meiner Schule bei, was noch mal eine eigene Geschichte wäre. Jedenfalls tat ich dann so einige Sachen, die normal Schüchterne niemals tun würden. Ich wollte meine Schüchternheit überwinden und DESWEGEN fing ich außerdem an, Germanistik zu studieren.

Germanistik hat viel mit mündlicher und schriftlicher Sprache zu tun. Ich musste viele Vorträge vorbereiten, stand demnach ständig unter Stress, weil mir so etwas eigentlich nicht liegt. In Seminaren kam es auch darauf an, sich so oft wie es geht an Diskussionen zu beteiligen. Auch das fiel mir erst schwer, weil ich das in der Schule echt nicht getan habe. Doch nach und nach veränderte ich mich. Ich war an dem Punkt, an dem ich mir sagte, du bist die Veränderung in deinem Leben. Du musst nur den ersten Schritt machen. Denk nicht so viel darüber nach mach es einfach! Und diese Gedanken begleiten mich auch heute noch. 

Jetzt habe ich etwas ausgeholt, aber das war mir wichtig, zu erwähnen. Damit ihr auch versteht, wie ich dann später zum Journalismus gekommen bin. Auf der einen Seite fürchtete ich mich vor neuen Begegnungen, davor mit Leuten in Gespräche zu kommen, stille Pausen zu ertragen, nicht zu wissen, was auf einen zukommt. Angst davor, bewertet und kritisiert zu werden. Auf der anderen Seite reizte es mich, Neues kennenzulernen. Es war nicht so, dass ich Menschen nicht mochte. Im Gegenteil ich bin meinen Mitmenschen freundlich eingestellt. Ich merkte es immer wieder, dass ich es schön fand, mit anderen zusammen zu sein.


Warum ich Journalistin arbeiten will

 Im Journalismus ist überhaupt die Beziehung zu anderen total wichtig. Ständig hat man mit Leuten zu tun. Man ruft andere an, man geht zu Veranstaltungen, befragt Leute. Man verabredet sich zu einem persönlichen Gespräch. Es vergeht kaum ein Tag, an dem man nicht mit anderen zu tun hat. Und das Schöne ist auch, dass man immer wieder neue Bekanntschaften macht und Beziehungen vertiefen kann, weil man mit bestimmten Leuten immer wieder etwas macht.

Ich habe mich für Journalismus nicht nur deswegen entschieden. Das ist zwar auch ein wichtiger Grund gewesen, aber im Vordergrund stand für mich der kreative Prozess des Schreibens. Früher wollte ich eigentlich Autorin werden, habe nach vielen Schreibversuchen gemerkt, dass mir das nicht liegt. Dann fing ich mit dem Bloggen an und merkte, dass das eher zu mir passte. Zwar vertragen sich Journalismus und Bloggen nicht unbedingt, aber viel gemeinsam haben sie schon. Und so wollte ich dann eben schreiben, nicht fiktive Geschichten, sondern über die wahren Geschichten im echten Leben. 

Für mich bedeutet journalistisches Schreiben, dass ich mich mit der Wirklichkeit befasse. Dass ich Informationen sammle und sie strukturiere. Dass ich reflektiere und kommentiere. Das hat alles mit kritischem Denken zu tun. Das Schreiben ermöglicht es mir, meinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Mich selbst auszudrücken. Es erfüllt mich. 

Außerdem habe ich das Gefühl, dass ich mit journalistischem Schreiben wirklich etwas bewirke. Tausende von Menschen lesen täglich unsere Zeitung. Auf der Straße werde ich ab und zu angesprochen. Sie erkennen mich wieder und bedanken sich für meine Texte. Sie loben sie. Das ehrt mich sehr und erfüllt mich mit Freude, wenn ich anderen damit einen Gefallen tue. Da ich in einer Lokalredaktion arbeite ist der Kontakt zu den Einwohnern natürlich immer da. Sie kommen in die Redaktion oder rufen bei mir an und fragen, ob ich über ein bestimmtes Thema oder eine Veranstaltung schreiben kann. Sie laden mich zu Events ein, über die ich dann berichte. Und ich tue das wirklich gerne. Dann habe ich das Gefühl, dass ich meinen Mitmenschen helfe. Indem ich darüber schreibe, mache ich Dingen, die den Menschen am Herzen liegen, öffentlich und bekannter. Innerhalb eines kleinen Umkreises kann ich etwas zum Positiven wenden und das macht mich glücklich.

Das ist wahrscheinlich auch ein Grund für mich gewesen, Journalistin zu werden. Ich möchte anderen helfen, in irgendeiner Art und Weise. Und ich denke, dass ich so auch zum Allgemeinwohl beitragen kann. Nur weil ich schüchtern bin, heißt das ja noch lange nicht, dass ich nichts mit Menschen zu tun haben will. Im Gegenteil: ich mag es mich mit Menschen zu umgeben und fühle mich am glücklichsten, wenn ich mit Zeit verbringen kann. Schüchterne sind ja keine Menschenhasser. Sie sehnen sich nach sozialen Kontakten, aber haben eben bestimmte Hemmungen, sich zu öffnen. Und daran arbeite ich auch. Ich will mich mit anderen vernetzen, neue Leute kennenlernen, meinen Horizont erweitern. Und der Beruf als  Redakteurin gibt mir eben diese Möglichkeit, die ich gerne ergreife. 

Ebenso finde ich es spannend, auf neue Geschichten zu stoßen. Sich mit anderen auszuztauschen, auf Veranstaltungen zu gehen, bedeutet, dass ich ständig etwas erlebe. Das bringt mir Abwechslung und auch jede Menge Gesprächsstoff. Auch das klingt komisch. Mögen Schüchterne nicht lieber Ruhe und wollen sich zurückziehen? Das mag auf viele zutreffen, doch auf mich nicht unbedingt. Früher war ich mal so ein Mensch und blieb immer nur Zuhause. Seit meinem Studium hat sich aber vieles verändert. Mittlerweile unternehme ich einfach gerne jedes Wochenende etwas mit Freunden. Einfach weil es Spaß macht, ich gerne rausgehe und etwas erlebe. Mit der Zeit habe ich mich verändert und sehne mich nach Abenteuer und Abwechslung im Leben . Nur die ganze Zeit drinnen sein, das halte ich nicht aus. Und darum mag ich den Journalismus auch. Es gibt immer Termine, zu denen ich gehen kann. Ich komme endlich aus der Redaktion raus, treffe auf andere und erlebe etwas, worüber ich schreiben kann. 


Probleme als schüchterne Journalistin

Ihr fragt euch nach all meinen Lobeshymnen, ob es denn immer so einfach gewesen ist, als Journalistin zu arbeiten. Sicherlich nicht. 

Am meisten machte mir anfangs zu schaffen, andere Leute anzurufen und mit ihnen zu telefonieren. Als schüchterne Person mochte ich Telefonieren nie. Ich wusste nicht, wer am anderen Ende dran ist. Ich mochte es nicht, nicht zu wissen, wie die Person reagiert. Und besonders wenig mochte ich dann die Pausen dazwischen oder wenn ich nicht einschätzen kann, wann die Person zu Ende gesprochen hat oder nicht. Ihr kennt das sicherlich. Man kann es nicht einschätzen und fällt sich gegenseitig ins Wort. Das ist peinlich und unangenehm zugleich. Aber noch weniger mag ich es, wenn ich dann im Büro telefonieren muss. Ich sitze mit den anderen Redakteuren in einem großen Büro. Jeder kann mithören, wenn du telefonierst. Und das ist etwas, was mich schon ziemlich Überwindung gekostet hat. Da war immer die Angst da, etwas falsch zu machen. Sich beim Vorstellen zu verhaspeln, zu stottern oder irgendeinen Mist von sich zu geben. Das ist doppelt peinlich zum einen, weil die anderen Kollegen mich hören und natürlich gegenüber dem Gesprächspartner am Telefon. Ich habe noch immer das Gefühl, dass ich beim Telefonieren von den anderen bewacht und kontrolliert werde. Es ist mir unangenehm, aber mittlerweile habe ich mich gut daran gewöhnt. Früher habe ich lange gezögert und gewartet bis nur wenige Kollegen da waren. Aber jetzt greife ich einfach gedankenlos zum Hörer und rufe einfach an. Je länger ich wartete, desto schlimmer wurde es mit der Nervosität. Deswegen einfach machen und nicht darüber nachdenken. 

Zunächst einmal ist da natürlich immer eine gewisse Aufregung, wenn ich irgendwohin geschickt werde, wo ich noch nie war. Wenn ich mit neuen Leuten zu tun habe. Ich weiß nicht, was auf mich zukommt. Doch ich zerbreche mir darüber nicht den Kopf. Das einzige, was ich tun kann, ist mich über meine Gesprächsperson und über das Thema so gut wie es zu informieren und mich vorzubereiten. Wenn es dann zum Interview kommt, bin ich flexibel. Ich beobachte die Leute und passe mich an. Wichtig ist es den Leuten wirklich zuzuhören und sich mit dem, was sie erzählen, zu beschäftigen. Gib den anderen das Gefühl, dass du sie kennenlernen und verstehen willst. Gib das wider, was sie dir erzählen in eigenen Worten. Stelle gute, offene Fragen und zeige ihnen, dass du zuhörst und verstehst. Und natürlich immer schön freundlich sein, nicken und lächeln. Das wirkt Wunder. 

In dem Zusammenhang ist es auch für mich nicht einfach, mit den Leuten immer warm zu werden. Mir fällt es nach wie vor etwas schwer, Smalltalk zu betreiben. Einfach locker zu quatschen und redegewandt zu sein, wie die anderen Redakteure. Ich versuche freundlich zu sein, wirke aber immer noch etwas reserviert und zurückhaltend. Vor allem bei Interviews fällt es mir auf, ich stelle Fragen, bekomme Antworten und ertappe mich dabei, wie ich eines nach dem anderen abhake. Dabei soll es doch ein Gespräch werden und nicht nur ein Verhör. Da gehört es dazu, dass ich das, was andere sagen, auch kommentiere und nicht schnell die nächste Frage anhänge. Diese Übergänge gut zu gestalten, sodass ein schönes Gespräch entsteht, ist bei mir heikel. Mir fehlt noch immer diese lockere Gelassenheit und das Selbstbewusstsein, was andere Redakteure haben. Sicher, als Frischling muss man das lernen und das kommt bestimmt mit der Zeit. Was ich dann konkret dagegen machen kann? Einfach weiter üben und vor allem nicht zu viel nachdenken. Einfach darauf los quatschen und nicht darüber grübeln, wie das wohl auf andere wirkt. Denken blockiert eben die Gelassenheit. Andere sind gelassener, weil sie es einfach tun und nicht so viel darüber nachdenken.

Als schüchterne Redakteurin muss ich ja mit Leuten viele Interviews führen. Ich habe mit unterschiedlichen Leuten zu tun. Da sind welche, aus denen du fast kein Wort heraus kriegst. Da musst du einfach das Eis brechen, gute offene Fragen stellen, einfach eine gemütliche Atmosphäre schaffen, damit der andere locker wird. Und dann das andere Extrem, mit dem ich zu kämpfen habe: Leute, die einfach so quatschen wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, die darauf losreden als gäbe es kein morgen mehr. Man kann sie nicht stoppen und sie reden über vieles, nur nicht über das, was du wissen willst. Solche Leute hatte ich schon oft. Und ich tue mich schwer, mit den umzugehen. Ich will sie einerseits nicht unterbrechen und unhöflich sein. Andererseits habe ich auch keine Zeit dafür und es bringt mir auch nichts, wenn sie über Dinge reden, über die ich nicht schreiben kann und will. Was mache ich dann? Ich versuche eine Stelle zu finden, in der die Leute pausieren und ergreife schnell das Wort. Ich versuche dann einfach das Gespräch auf etwas anderes zu lenken. Eine andere Frage zu stellen oder weise die Leute daraufhin, sich kurz zu fassen („Könnten Sie mir das bitte noch einmal zusammenfassen? Könnten Sie noch einmal konkret darauf eingehen?“ „Könnten Sie das Gesagte bitte noch mal in paar Sätze formulieren?“) Das hilft meistens. Auch wenn es unangenehm ist, ich muss eingreifen, sonst geht es ewig so weiter. 

Womit ich als schüchterne Person punkten kann ist, dass ich eben auch wirklich aktiv zuhöre. Ich tue auch nicht nur so, als würde mich etwas interessieren. Ich finde es wirklich spannend, wenn andere etwas erzählen. Weil ich einfach offen für neue Erfahrungen bin und auch gerne etwas neues dazu lerne. Ich bin einfach von Neugier getrieben und will mehr herausfinden. Deswegen will ich ja Journalistin werden. Jedenfalls habe ich bei meinen Freunden bisher auch immer so gehandhabt: Ich höre lieber zu, als dass ich rede. Einfach weil ich es spannender finde, etwas zu erfahren, als das, was ich schon kenne, noch einmal durchzukaufen. Ich bin wachsam und konzentriere mich intensiv auf das, was andere erzählen. Und ich stelle gerne Zwischenfragen oder hake nach, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Ich lasse mich da vollkommen darauf ein. Und gerne wiederhole ich das Gesagte in eigenen Worten, für das bessere Verständnis. In Gesprächen geht es mir nur um mein Gegenüber und dass ich ihm volle Aufmerksamkeit schenke. Und ich denke, dass das jeder schätzt, wenn man ihm aufrichtig zuhört. Jeder Mensch mag es ja, wenn man ihm zuhört und ihn wirklich versteht.

Es gehört auch dazu, dass hin und wieder Leute anrufen und sich über etwas beschweren, was in der Zeitung gestanden hat. Mit Kritik umzugehen ist nicht einfach und auch entsprechend gut darauf zu reagieren ebenso wenig. Ich versuche dann erst einmal ruhig die Leute ausreden zu lassen und schreibe mir alles auf. Dann sage ich freundlich, dass ich mich darum kümmern werde und gebe es an die Kollegen weiter. Wenn die Kritik berechtigt ist, dann sollte man auch daraus etwas lernen und es nicht als persönlichen Angriff sehen. Wir schreiben für die Leser und demzufolge sollten wir uns auch nach ihnen richten und Kritik ernst nehmen.

Hin und wieder muss ich Leute zu etwas überzeugen oder ihnen absagen, beispielsweise wenn es um Termine geht. Es ist nicht möglich, zu allen Terminen zu gehen und darüber zu schreiben. Das ist natürlich echt hart für mich, weil ich ungern anderen Leuten absage oder etwas ablehne. Es hat nichts mit Unfreundlichkeit zu tun. Es wäre ja schlimmer, wenn ich allen Angeboten zusage und dann doch nicht hingehen kann. Darüber würden sich die Leute noch viel mehr ärgern. Aber es gehört eben dazu. Das Zeitbudget ist knapp und wir müssen zusehen, dass wir Termine nach Prioritäten ordnen. Überall hinzugehen und über jede Kleinigkeit zu berichten, ist einfach nicht möglich. Die Leute wollen ja über große Sachen lesen und nicht über kleine. Da ist es wichtig, die Bedürfnisse der Leser und natürlich derjenigen, über die wir schreiben, zu gewichten. Auch da gilt: freundlich bleiben und Gründe nennen, weswegen etwas nicht klappt. 

Als Redakteurin muss ich auch immer mal Fotos schießen. Einfach mal den Auslöser drücken – so stellt man sich das vor. Aber so einfach ist es nicht. Ich muss als Fotografin auf die Fotos Einfluss nehmen, indem ich die Leute ordentlich hinstelle, in Pose bringe. Da gehört schon jede Menge Selbstbewusstsein und Bestimmtheit dazu. Das wurde mir von den Kollegen auch geraten. Ich bin ja diejenige die Ahnung hat und die Fotos macht. Also bestimme ich auch, wie die Leute sich hinstelle und was sie tun. Das fällt mir echt nicht leicht. Ich bin es nicht gewöhnt Leuten Anweisungen zu geben. Es ist mir auch unangenehm, wenn es länger dauert, weil ich den Leuten ja nicht auf die Nerven gehen und das Foto schnell im Kasten haben will. Oder mal Leute freundlich bitten, mir Platz zu machen, damit ich ein gutes Foto machen kann, ist nicht einfach. Es ist mir unangenehm, aber es führt kein Weg daran vorbei. Ich versuche zu lernen, selbstbewusster zu werden. Da ich aber noch ein Anfänger in Sachen Fotografie bin, strahle ich eine gewisse Unsicherheit aus, was wiederum meine Fotomodels verunsichert. Daran muss ich noch arbeiten. Aber ich denke, dass eine gewisse Sicherheit auch mit viel Routine von alleine kommt. Ich versuche mich mehr zu trauen, die Leute so zu positionieren, wie ich es brauche. Weniger Gedanken darüber zu machen, ob es den anderen recht ist oder nicht. Es geht um den Job und darum schöne Fotos zu machen. Das verinnerliche ich dann auch.

Eine weitere Herausforderung ist, andere Leute auf der Straße anzusprechen. Für unsere Jugendseite oder Umfragen muss ich Leute ansprechen und ihnen Fragen stellen. Außerdem gehört dazu, ihr Alter, Namen, Wohnort herauszufinden und Porträts von ihnen zu machen. Ehrlich gesagt tue ich mich weniger schwer damit, Leute anzusprechen. Schwieriger finde ich es, sie dann zu fragen, ob ich ein Foto von ihnen machen kann. Da tun sich viele schwer und wollen das nicht, oder persönliche Informationen herausgeben. Ich kann diese Zweifel verstehen, aber für mich ist es eben schwer, dann an die Infos zu kommen, die ich brauche. Und da gehört viel Menschenkenntnis dazu. Wie spreche ich Leute auf der Straße an und bewege sie dazu, mir Fragen zu beantworten? Wie beeinflusse ich Leute, dass sie das preisgeben, was ich brauche? Da brauche ich viel Fingerspitzengefühl und einen guten ersten Eindruck, damit die Leute mir nicht weglaufen. 

Da hat mir meine Erfahrung im Öffentlichkeitsbereich schon geholfen, wo ich ebenso Leute auf der Straße anspreche und sie bitte an Umfragen teilzunehmen. Es geht darum, dass ich freundlich auf andere wirke und dass sie ein gewisses Vertrauen entwickeln. Man muss die richtigen Worte finden und die richtige Strategie. Hilfreich ist es, den Menschen ein positives Gefühl zu vermitteln. Ihnen Komplimente zu machen, damit sie dann auch offen dafür sind, Infos preiszugeben oder Fotos von sich machen zu lassen. Das ist nicht immer einfach. Oft genug wurde ich schon bevor ich Fragen stellen konnte, abgewiesen. Meist wollen die Leute schnell weg, sind im Stress, oder haben keine Lust. Schnell wurde ich abserviert und es fühlt sich nicht schön an. Eher deprimierend, wenn man immer und immer wieder Leute anspricht und sie an einem vorbei gehen. Doch ich habe gelernt, dass ich dran bleiben muss. Nicht aufgeben darf, egal wie oft ich abgelehnt werde. Es hat auch nichts mit mir zu tun, meistens liegt es an den anderen. Wie gesagt, sie haben keine Lust, keine Zeit oder scheuen sich davor. Manchmal habe ich dann Leute erwischt, die total nett waren. Und das hat mir gezeigt, dass es sich lohnt dran zu bleiben. Es gehört bei solchen Aktionen dazu, offen und freundlich zu bleiben, egal wie oft man abgewiesen wurde.

Das sind also einige Dinge gewesen, mit denen ich nach wie vor im Journalismus zu kämpfen habe. Ich habe mit vielen Leuten zu tun, bin in unterschiedlichen Situationen, wodurch viele Probleme entstehen können. Was ich aber gelernt habe ist, dass ich keine Scheu haben darf. Ich darf nicht aufgeben und ich sollte immer Freundlichkeit bewahren. Viel Lächeln und Smalltalk betreiben. Vertrauen erwecken und Empathie zeigen, dann öffnen sich die Leute von ganz allein. All das, was eigentlich Schüchterne weniger gerne tun. Für den Journalismus hat mir zumindest meine Empathie gut geholfen und dass ich immer freundlich und aufmerksam bin. Insofern habe ich gewisse Fähigkeiten auch mit reingebracht, aber eben auch viel Neues dazu gelernt. Ich bin weit davon entfernt, eine gute Journalistin und Menschenkennerin zu sein. Ich muss noch viel dazu lernen und mich weiterentwickeln. Aber ich bin optimistisch.

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